Klinische Homöopathische Arzneimittellehre, Abraham Karl Stauffer, 1870 – 1930
Bearbeitet von Gabriele Sielmann
© Alraunen-Verlag, Hajo Sielmann, 2017
Acidum phosphoricum
Phosphorsäure muss den im D.A.B. gestellten Anforderungen entsprechen.
Zur 1. Dez. Pot. werden 10 Gewichtsteile 25%iger Phosphorsäure mit 15 Gewichtsteilen dest. Wasser vermischt.
Arzneigehalt 1/10
Die
Phosphorsäure wirkt nicht sehr giftig auf den Organismus, betroffen
wird hauptsächlich das Nervensystem, das Prüfungsbild zeigt deutlich den
Wirkungsbereich des Mittels.
Leitsymptome
- Depression sehr ausgesprochen.
- Erschöpfung und Schwäche sehr groß, körperlich, seelisch und geistig.
- Kreuz- und Rückenschwäche. Karies, Knocheneiterungen. Neigung zu passiven Blutungen, blasser Phosphatharn.
- Gelbes, krankes Aussehen.
- Reichliche Schweiße.
- Durchfälle mit Blähungen, nicht schwächend.
- Folgen von geistiger Anstrengung, von Ausschweifungen. Folgen von Blutverlusten, Stillen, Durchfall, Schweißen.
- Folgen von Kummer, Sorgen, unglücklicher Liebe, Verlusten, Heimschmerz.
- Folgen von schnellem Wachsen, von schwächenden Krankheiten.
- Besserung durch Warmhalten.
Stimmung
- Apathisch, niedergeschlagen, weinerlich, Verlangen nach Ruhe.
- Gleichgültig, teilnahmslos.
- Gewissensangst, Schuldgefühl.
- Kann sich nicht sammeln.
Stoffwechsel
- Schwächende Nachtschweiße.
- Neigung zu Erkältungskatarrhen und zu schmerzlosen Durchfällen.
- Folgen von zu schnellem Wachsen und Samenverlusten.
- Diabetes mellitus und insipidus, mehr Folge von nervösen Ursachen: Kummer, Gram, Sorgen, Geschäftsverlusten.
- Polyurie, krankhafter Durst, Abmagerung; Grauwerden der Haare.
- Harn milchig, reichlich bes. nachts, gallertartig, mit Fetthaut.
- Brennen in der Nierengegend, Rücken wie gequetscht u. schwach.
- Harnröhre wie zu weit, Blasenschwäche, Harnträufeln.
Blutkreislauf
- Neigung zu Blutungen aus Nase, Mund, Uterus.
- Blutarmut nach Säfteverlust, Stillen, Onanie, Krankheiten.
- Rekonvaleszentenmittel, Schwächezustände nach Eiterung.
- Fieber der Schwindsüchtigen, remittierend.
Nervensystem
- Schlaflosigkeit vor Schwäche, kurzer Schlaf erquickt aber sehr.
- Schwäche, Zerschlagenheit.
- Teilnahmslos, antwortet kurz mit ja oder nein, will Ruhe haben.
- Benommen, milde murmelnde Delirien.
Luftwege
- Große Empfindlichkeit gegen Luftzug, will warm haben.
- Katarrhe mehr chronisch; Schwäche der Brust, kann kaum sprechen.
- Heiserkeit mit Kitzelhusten, schlimmer abends beim Niederlegen.
Verdauungsorgane
- Magenschwäche, saures Aufstoßen, zuvor Magenkollern.
- Magendruck nach dem Essen mit Übelkeit und Ekel.
- Erbrechen saures oder der Speisen, nachher große Schwäche.
- Darm voller Gase mit Rumpeln, Knurren.
- Nach dem Essen Geräusch wie von gurgelndem Wasser.
- Durchfälle weiß-grau, schmerzlos, oft säuerlich; chronisch, den Kranken nicht alterierend.
Knochen und Gelenke
- Rachitis. Eiterungen.
- Schmerzen, besonders der Röhrenknochen, Entzündung des Periostes.
- Schaben wie von einem Messer.
- Gelenkschmerzen und Schwäche, Neigung umzuknickend. Schlottergelenke.
- Knochenverkrümmungen. Karies. Nekrose.
Harnorgane
- Urin reichlich, milchig, wässerig, zuckerhaltig.
- Phosphate in reicher Menge führend.
- Polyurie nervöse mit Kopfschmerz und Depression, besser durch Harnlassen.
Geschlechtsorgane
Männer
- Schwäche der Funktionen; Trieb vermindert.
- Erektionen ohne Kraft.
- Ejakulation zu früh.
- Pollutionen bei schlaffem Gliede nachts, bei Pressen zum Stuhle.
- Rückenschmerz als Folge von sexuellen Exzessen.
Frauen
- Fluor albus und Blutungen bei Uterusatonie.
Allgemein
Klinisches
Nervenzerrüttung
(nicht Nervosität oder Hysterie, wie bei Ignatia) ist die Ursache der
Hinfälligkeit und Apathie des Phosphorsäurekranken. Das Mittel passt
aber auch bei akuten Folgen von Gemütsbewegungen, wo sonst mehr an
Ignatia gedacht wird. Die Schlummersucht mit Ruhebedürfnis ist
charakteristisch, es ist aber kein soporöser, bewusstloser Zustand; wenn
man den Kranken anruft, so erwacht er klaren Geistes, gibt richtige
Antworten, aber kurz, weil er in Ruhe gelassen sein will.
Schlaflosigkeit nachts wegen nervöser Erschöpfung wird durch das Mittel
behoben, selbst wenn sie lange besteht. Kreuzschwäche, schmerzlose,
nicht schwächende Durchfälle, geschlechtliche Schwäche kennzeichnen das
Mittel zur Genüge. Es ist ein Schwäche- und Rekonvaleszentenmittel
ersten Ranges. Bei Rachitis und zu schnellem Wachsen ziehe ich die Saure
dem reinen Phosphor vor, ebenso bei Nervenschwäche mit Apathie, wenn
sie Folge von Anämie sind, die Wirkung ist rasch und zuverlässig, das
Mittel muss aber Unger fortgegeben werden. Sauer hielt das Mittel in
starker Lösung von 1:50 für ein erstes Antidiabetikum, wenn Phosphaturie
besteht. Beim Typhus kommt es nur in leichteren Fällen und im ersten
Stadium in Betracht; es soll hier dem bösartigen Verlaufe vorbeugen.
Dosis
In
höheren Potenzen ist die Wirkung der Phosphorsäure und des Phosphors
gleich. Die Saure wird hauptsächlich in tiefen Potenzen (1.-3.)
gebraucht, 2-3mal täglich 3 Tropfen in Wasser verdünnt. Wegen ihrer
Ungiftigkeit ist die Säure dem reinen Phosphor vorzuziehen, wenn
letzterer in starken Dosen angezeigt erscheint, z. B. in der Pneumonie
bei eintretender Schlummersucht; ich habe in solchen Fällen
zweistündlich 3-4 Tropfen Acidum phosphoricum gegeben und abends 1 Gabe
Phosphor 30. und dadurch schlaflose Nächte erzielt, was oft wichtig ist
bis zum Eintreten der Krisis.
Um einer nicht seltenen
Überempfindlichkeit gegen Phosphorpotenzen aus dem Weg zu gehen, wird
manchmal statt Phosphor die Säure gewählt, die jedoch auch ihrerseits
zuweilen in D 2-3 Nebenerscheinungen wie Kopfschmerz, Herzschmerz,
Schwindel, Schwäche hervorruft (Martin Schlegel).
Vergleichsmittel
Ignatia;
China; Kalium phosphoricum; Nux vomica; Phosphorus; Arnica; Baptisia;
Rhus toxicodendron; Stannum; Ferrum; Arsenicum album
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